Zeil am Main, Lkr. Haßberge. Seinen 100. Geburtstag feierte kürzlich Hermann Günther aus Zeil, der damit der älteste männliche Bürger der Fachwerkstadt ist. Geboren am 16. April 1920 in Schosdorf in Schlesien, heute Ubocze, wuchs der Jubilar zusammen mit seinen zwei Brüdern bei seinen Eltern auf und arbeitete später in einer Weberei. Ab seinem 18. Lebensjahr wurde Hermann Günther zum Wehrdienst eingezogen, ehe er verwundet im Lazarett lag und 1945 zusammen mit seiner Familie aus der Heimat vertrieben wurde. Auf Umwegen verschlug es ihn nach Reutlingen im heutigen Baden-Württemberg, wo er eine Ausbildung zum Textiltechniker absolvierte. Später angestellt bei der Baumwollspinnerei Erlangen-Bamberg (ERBA) kam der junge Mann nach Stationen in den Werken Erlangen und Bamberg nach Zeil. Dort leitete er zuletzt die ERBA-Niederlassung bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1987.
In den späten 1950-er Jahren lernte Hermann Günther seine spätere Ehefrau Charlotte Malm kennen, die in der Zeiler Telefunken-Zweigstelle Werksleiterin war. 1960 läuteten in der Lorenzkirche in Nürnberg, der ursprünglichen Heimat der Braut, die Hochzeitsglocken für das Paar. Bald darauf kamen die drei Töchter Ulrike, Christine und Susanne zur Welt. Die junge Familie Günther erfüllte sich den Wunsch nach einem Eigenheim und baute ein Wohnhaus in Zeil. Hermann Günther, der heute noch in dem Anwesen lebt, legte beim Bau selbst Hand an. So errichtete er Sandsteinmauern rings um das Grundstück und bewerkstelligte auch den Innenausbau weitgehend selbst. Auch schreinerte der handwerklich begabte Mann sehr gerne, wovon heute noch Truhen und Schränke zeugen. Anfangs mit einem VW Käfer mit Dachzelt erkundete seinerzeit die Familie ganz Europa bei ausgedehnten Urlaubsreisen. Später ging es mit der Ehefrau sogar bis in die Karibik. Einen Schicksalsschlag musste Hermann Günther im Februar dieses Jahres hinnehmen, als seine Ehefrau kurz vor dem 60-jährigen Ehejubiläum im Alter von 90 Jahren verstarb.
Eigentlich wollten die Töchter ihrem Vater zum 100. Geburtstag einen Wunsch erfüllen und mit der gesamten Familie, zu der auch fünf Enkel und vier Urenkel gehören, noch einmal in seinen einstigen Heimatort im heutigen Polen ein paar schöne Tage verbringen. Durch die Corona-Krise wurde der Traum aber zu Nichte gemacht und auf ein ungewisses Datum verschoben. Wenn schon nicht mit der ganzen Familie der Geburtstag gefeiert werden kann, hatte Enkelin Jana Zimmermann eine ganz besondere Idee, ihrem Großvater eine Freude zu machen. Unter anderem im Bayerischen Rundfunk und einem Nachrichtenmagazin rief sie die Hörer auf, ihrem Opa unbekannterweise Geburtstagswünsche zukommen zu lassen. Hermann Günther staunte nicht schlecht, als an den Tagen um seinen Geburtstag über 700 Glückwünsche per Post bei ihm eingingen. Nicht nur aus ganz Deutschland gratulierten die Unbekannten, sondern auch aus den USA, Finnland, Südafrika, Polen/Schlesien, Österreich, der Schweiz, den Niederlanden und einigen anderen Ländern. Auch Blumen und einige Geschenkpakete mit Pralinen, Selbstgebasteltes und Bildbänden aus Schlesien trafen in Zeil ein, über die sich der Senior sehr freute.
Mit einem Glas Sekt ließen die Schwestern Susanne, Ulrike und Christine ihren Vater hochleben. Das Zusammenkommen im kleinen Kreis war trotz der derzeitigen Beschränkungen möglich, weil Hermann Günther auf die tägliche Pflege seiner drei Töchter angewiesen ist. Weiterhin gratulierten Bürgermeister Thomas Stadelmann und der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder schriftlich und wünschten dem Geburtstagskind weiterhin viel Gesundheit.