Haßfurt, Lkr. Haßberge. Farbenfroh ging es am frühen Samstagabend in Haßfurt zu. Mit bunten Fahnen und Plakaten zogen rund 150 Menschen zum Christopher Street Day (CSD) durch die Altstadt. Vom Marktplatz durch den Unteren Turm, die Promenade und Bahnhofstraße entlang und schließlich durch den Oberen Turm wieder zurück zum Ausgangspunkt, riefen die Teilnehmer bei dem angemeldeten Demonstrationszug zu mehr Offenheit und Akzeptanz gegenüber Lesben, Schwulen, Inter- oder Asexuellen und Transgender-Personen auf. „Die gesamte Veranstaltungen verlief friedlich und ohne Zwischenfälle, auch Gegendemonstrationen gab es keine“, sagte Kurt Etzel, der stellvertretende Dienststellenleiter der Polizeiinspektion Haßfurt.
Bereits zum zweiten Mal organisierte der CSD Haßberge e. V. mit Vincent Steppert, Theresa Treimer und Jojo Hütter sowie weiteren Helfern diese Veranstaltung in der Kreisstadt. „Hass erfassen und aus Haßfurt lassen: Queerer Aktionsplan Bayern jetzt!“, lautete das Motto in diesem Jahr. „Bayern ist das einzige Bundesland, welches bisher keinen Aktionsplan vorzuweisen hat“, sagte Yannick Gremillet als Sprecher des Zusammenschlusses aller 24 CSD’s im Freistaat.
Und wie stehts im Landkreis Haßberge? Hat sich hier etwas getan seit dem letzten CSD im vergangenen Jahr? Vincent Steppert zeichnet eher ein düsteres Bild: „Nach wie vor setzen sich Leute, die nicht selbst betroffen sind, zu wenig oder überhaupt nicht mit queeren Themen auseinander“. Emma Neeb, eine CSD-Teilnehmerin aus Haßfurt, setzt sogar noch einen drauf: „Das Klima ist allgemein noch intoleranter geworden“. Die 20-Jährige erfährt es oft am eigenen Leib. Keinem üblichen Rollenbild entsprechend trägt die Auszubildende zur Pflegefachkraft in ihrer Freizeit regelmäßig ein alternatives Outfit, passend zu ihrer queeren Lebenseinstellung. Mit bunten Haare, sichtbaren Piercings, Springerstiefeln und Kleidung mit politisch linken Statements muss sich Emma Neeb oft blöde oder sogar hasserfüllte Kommentare mancher Mitmenschen anhören. Zum Beispiel fragte eine ältere Dame die junge Frau kurz vor dem Demozug, was für eine Veranstaltung das sei. Nach einer entsprechenden Erklärung, was der Christopher Street Day bedeutet, sagte die Passantin: „So etwas brauchen wir nicht bei uns auf dem Land, macht das gefälligst in der Großstadt“.
Ähnliches erlebt auch Robin Azubueze aus Goßmannsdorf im Landkreis Würzburg. Extra zum CSD gemeinsam mit Freunden mit der Bahn nach Haßfurt gekommen, erzählt der 16-Jährige, das ihn erst neulich im Zug fremde Jugendliche beschimpft haben. Und dabei verrät sein äußeres Erscheinungsbild nicht unbedingt seinen Identitätswechsels vom weiblichen zum männlichen Geschlecht. Ausschlaggebend für die Anfeindungen waren in dem geschilderten Fall nur die Tatsache, dass er sich eine Regenbogenflagge umgehängt hatte, so der Jugendliche, der damals von der Würzburger CSD-Demo nach Hause fuhr.
Dagegen hat Ben Wößner aus Karlstadt eher ein positives Stimmungsbild von seinem persönlichen Umfeld. Er outete sich vor einiger Zeit, dass er als geborenes Mädchen eigentlich viel mehr fühlt und denkt wie ein Junge. Seine Familie nahm das gelassen auf und akzeptierte es sofort. Der 18-Jährige vermutet, dass zu der positiven Reaktion vermutlich dazu beigetragen hat, dass seine Tante lesbisch ist und auch sehr offen damit umgeht. Auch in seiner Schule in Würzburg ist die Akzeptanz bei den Mitschülern größer geworden, so Ben: „Wenn ich erkläre, was Queer bedeutet, sehen das viele Leute positiv“. Auch so ein alltägliches Problem wie die Wahl der Damen- oder Herren-Toilette, hat sich mittlerweile zumindest für Ben gelöst: „Wir haben an der Schule jetzt auch eine geschlechtsneutrale Toilette“.
Bei der Abschlusskundgebung kamen unter anderem auch Vertreter der politischen Parteien zu Wort. So fragte Maximilian Mödl von den Jungen Liberalen der FDP im Landkreis Würzburg die Anwesenden: „Wo ist denn heute Euer CSU-Stimmkreisabgeordneter?“. Das Fehlen des Landtagsmitglieds der bayerischen Regierungspartei bekräftigte den jungen Mann in seiner Meinung: „Die CSU vertritt lieber Menschen über 60 als sich den Interessen der queeren Community anzunehmen“. Präsent dagegen war Manuela Rottmann, die Bundestagsabgeordnete der Grünen. Und auch die SPD-Kreisvorsitzende Johanna Bamberg-Reinwand machte der Versammlung auf dem Marktplatz Mut und forderte noch mehr politisches und gesellschaftliches Engagement, damit auch queere Menschen eine noch größere Lobby bekommen.
Lenna Fenn, die den Weg von ihrem Wohnort Würzburg auf sich nahm, um beim Haßfurter CSD dabei zu sein, sieht die Aussagen vieler Parteien kritisch: „Besonders im Wahlkampf werden bei einigen Parteien transfeindliche Themen angesprochen und auch mit problematischer Rhetorik kund getan“. Hass und Angst gegen Queere, insbesondere Transgeschlechtliche, schürt vor allem die AfD, so die Wahrnehmungen der 19-Jährigen. „Aber auch die Parteien, die sich nach außen tolerant und offen zeigen, kann man nicht wirklich glauben“, sagt Lenna Fenn und führt als Beispiel das geplante Selbstbestimmungsgesetz an, das schon seit einer gefühlten Ewigkeit beraten wird, aber immer noch nicht endgültig beschlossen ist.
Auch wenn in diesem Jahr nur rund die Hälfte Teilnehmer im Vergleich zu 2022 beim CSD Haßfurt dabei waren, gibt sich der Vorsitzende Vincent Steppert weiterhin kämpferisch: „Wir zeigen den queeren Menschen bei uns, dass sie nicht alleine sind und wir werden auch in Zukunft in der Öffentlichkeit präsent sein“.
Der queere Aktionsplan ist ein Katalog, welche Maßnahmen und Aktionen ergriffen werden müssen um bestehende Herausforderungen schnellstmöglich zu beheben. Mit einer zur Zeit laufenden Kampagne werden für eine Petition Unterschriften gesammelt. Die Forderungen, aufbereitet durch eine Fachkonferenz Anfang September, sollen als umsetzungsfähiger Aktionsplan im Anschluss an die Landesregierung übergeben werden. Vielfalt in den schulischen Lehrplänen und Aufklärung in allen Bereichen des öffentlichen Lebens sowie die Dokumentation von Hassverbrechen mit gleichzeitiger Sensibilisierung und Schulung der Landespolizei stehen unter anderem im Forderungekatalog. Außerdem fordern die Initiatoren vom Förderverein CSD Nürnberg mit der Aktion einen geschützten Bereich in Aufnahmeeinrichtungen für queere Geflüchtete und Zugang für queere Organisationen sowie einen Beauftragten der Bayerischen Landesregierung, der die Interessen der queeren Community wirksam vertritt. Weitere Informationen hierzu gibt es im Internet unter www.csd.bayern nachzulesen.