Haßfurt, Lkr. Haßberge. Das hat Haßfurt bisher noch nicht erlebt: Im Nachgang zum ersten Christopher Street Day (CSD) in der Kreisstadt fand am Sonntag ein ökumenischer Gottesdienst in der altehrwürdigen Ritterkapelle statt, der bisher einmalig ist. Gemeinsam mit den Organisatoren des Vereins CSD Haßberge e. V. riefen der katholische Diakon Manfred Griebel und die evangelische Lektorin Cynthia Derra zu mehr Offenheit und Akzeptanz gegenüber Lesben, Schwulen, Inter- oder Asexuellen und Transgender-Personen auf. Rund 100 Besucher waren gekommen, um das Anliegen zu unterstützen. Musikalisch umrahmt wurde der Gottesdienst von Martin Eck zusammen mit Tochter Franziska und Sohn Jakob.
Unter dem Motto „Vielfalt im Menschsein“ sagte Diakon Manfred Griebel: „Sich selbst als einzigartiges Geschöpf zu betrachten, erleichtert das Leben. Einzigartigkeit macht stolz und setzt Kräfte frei, um das eigene Können im Leben zu erkennen und zu leben. In jedem Talent steckt zum Beispiel Einzigartigkeit. In der Art, wie ein jeder sein Leben gestaltet, in der Art, wie er aussieht, wie er denkt und fühlt, wie er auf seine Mitmenschen zugeht und der Welt sein Gesicht zeigt – all das ist gekennzeichnet durch eben diese Einmaligkeit. Jeden von uns gibt es nur ein einziges Mal im Leben! Das macht das Leben so kostbar. Lieben wir deshalb jede einzelne Minute unseres Lebens. Nichts davon kommt wieder, nichts davon ist wiederholbar.“ Wichtig sei es auch, dass jeder seine Einzigartigkeit sichtbar mache, so wie zum Beispiel auf CSD-Veranstaltungen. „Jeder hat seinen Platz, auch in der Kirche“, betonte Griebel, der seit 27 Jahren auch als Seelsorger im Krankenhaus aktiv ist. Noch nie habe er dabei gefragt, was jemand ist oder was für eine Lebenseinstellung derjenige habe: „Es geht immer nur um den Menschen.“
Dass dieser queere Gottesdienst auch Kritiker auf den Plan rufen könnte, sieht der Diakon gelassen: „Ich bekomme bestimmt mein Fett ab, weil ich zu denen gehe, die scheinbar nichts mit der Kirche am Hut haben.“ Aber genau dies sei seine Aufgabe, nämlich Menschen, die sich ausgestoßen fühlen, einen Platz in der Kirche zu geben. Auch bei der Demonstration am Samstag war Griebel dabei. „Wir wollen in die Offensive gehen, wir sind Teil der Gesellschaft“, in diesem Sinne waren die Worte von Vincenz Steppert, dem Vorsitzenden des Vereins CSD Haßberge, und seinen Mitstreitern. „Das hat mich sehr berührt“, sagte Griebel und erinnerte daran, dass „Gott durch Jesus Christus in unser Inneres schaue und nicht auf das Äußere“.
Lektorin Cynthia Derra zitierte unter anderem aus dem Evangelium des Markus zur Taufe und trug auch einen Text vor, der Charly Chaplin zugeschrieben wird: „Als ich mich selbst zu lieben begann.“ Die jungen Erwachsenen, die die CSD-Bewegung unterstützen, trugen ihre Fürbitten vor und hefteten diese an eine bunte Regenbogenfahne. Den Farben wurden Stichworte zugeordnet: Sonnenlicht, Leben, Heilung, Harmonie, Natur, geist und Vielfalt. „Alle diese Aspekte sind uns wichtig“, sagte ein junger Mensch, der für sich selbst erkannt hat, dass er als gebürtiger Mann mehr denkt und fühlt wie eine Frau und genauso leben möchte.
Und auch das gibt es nicht alle Tage in einem Gottesdienst. Ein großer, lang anhaltender Applaus schallte durch das alte Gemäuer zum Abschluss des Gottesdienstes. Einer Mutter standen die Tränen in den Augen: „Mir geht es nach diesem Gottesdienst richtig gut und ich schöpfe Hoffnung, dass die Welt mehr Akzeptanz zeigt.“ Nicht zuletzt trug zu den Freudentränen bei, dass die Frau sich zusammen mit ihrem Kind, das auch einen queeren Hintergrund hat, persönlich segnen ließ. Das ermöglichten Diakon Manfred Griebel und die evangelische Lektorin Cynthia Derra ohne Urteil über die Person. Der überwiegende Teil der Gottesdienstbesucher nahmen dieses Angebot an.