Eltmann, Lkr. Haßberge. Ein lautes Trillerpfeifenkonzert und schrille Pfiffe hallten am Mittwochmittag am Werkstor des Schaeffler Produktionsstandortes in Eltmann. Rund 100 Beschäftigte einer Schicht der Produktion machten ihrem Ärger und ihren Zukunftsängsten Luft. Das Großunternehmen hatte am Mittwoch bei einer außerordentlichen Sitzung des Konzernwirtschaftsausschusses informiert, dass insgesamt 4.500 Arbeitsplätze an 11 Standorten abgebaut werden sollen.
Auch die Standorte Schweinfurt und Eltmann sind massiv betroffen. Der Standort Eltmann mit seinen 480 Beschäftigten soll komplett nach Schweinfurt verlagert werden. Auch aus Wuppertal und Höchstadt wandern Arbeitsplätze nach Schweinfurt. Dass es in Schweinfurt trotzdem zu einem Verlust von über 300 Arbeitsplätzen kommen soll liegt an den Plänen des Managements über 1.000 aktuell in Schweinfurt ansässige Arbeitsplätze abbauen zu wollen. Ulrich Schöpplein, Betriebsratsvorsitzender in Eltmann, ist von der Nachricht schockiert: „In Eltmann sollen 80 Jahre Industriegeschichte und ein profitables Werk aufgelöst werden, dass werden wir nicht akzeptieren“. Mit der Produktion von Rollen für Wälzlager in jeder Größe liege man nicht im roten Bereich, erklärte Schöpplein. Der Gewerkschaftler hält die Pläne des Konzerns schlicht für Profitgier. Er zweifelt auch daran, dass alle Eltmanner Beschäftigten in Schweinfurt untergebracht werden können: „Schaeffler wird wahrscheinlich versuchen, die Leute mit Abfindungsmaßnahmen zu ködern“. Außerdem habe Schöpplein nach seinen Worten am Mittwoch bei der Sitzung erfahren, dass die 38 Arbeiter in Eltmann, die bei einer internen Leiharbeitsfirma beschäftigt sind, gekündigt werden sollen. Dem habe aber das Unternehmen am Donnerstag widersprochen, erklärte der Betriebsratsvorsitzende.
Sorgen macht sich Schöpplein zum Beispiel auch um die Beschäftigten der italienischen Umbra-Gruppe, die sich auf dem Werksgelände eingemietet hat. Früher war diese Abteilung ein Teil von FAG Kugelfischer, seit der Umstrukturierung aber selbstständig. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Umbra weiterhin in Eltmann verbleiben kann. Durch die Schließung des Schaeffler-Werkes fehlt ja dann die gesamte Infrastruktur“, so Schöpplein.
Die Hiobsbotschaft der Werksschließung, wie sich der Betriebsratsvorsitzende ausdrückte, hat auch Pressevertreter von Funk und Fernsehen nach Eltmann gelockt. An der Seite der Arbeitnehmer kämpfen auch Schöppleins Stellvertreter Florian Gräf und Thomas Höhn, der zweite Bevollmächtigte der IG Metall Schweinfurt und Schaeffler Konzernbeauftragter, die ebenfalls vor Ort waren.
In einer Pressemitteilung macht Johann Horn, der Bezirksleiter der IG Metall Bayern, klar: „Standortschließungen und Verlagerungen an Billigstandorte sind kein Zukunftskonzept. Die Beschäftigten und die IG Metall werden das nicht akzeptieren. Betriebsbedingte Kündigungen müssen ausgeschlossen sein. Schaeffler will die Corona-Krise ausnutzen, um Kosten zu sparen und Profite zu steigern. Wir erwarten, dass Schaeffler stattdessen Verantwortung übernimmt und Beschäftigung sichert. Dazu ist das Unternehmen auch in der Pflicht, zumal es im Rahmen der verlängerten Kurzarbeit von der Finanzierung durch Sozialversicherungsbeiträge profitiert.“ 2018 hatte Schaeffler mit der IG Metall eine Zukunftsvereinbarung abgeschlossen. Darin ist eine Stärkung der deutschen Standorte vereinbart, betriebsbedingte Kündigungen werden grundsätzlich ausgeschlossen.
Nach einer durch Schaeffler-Pressesprecher Marco Bosch ausgeteilten schriftlichen Information hat Jochen Spielberg, der Werkleiter in Eltmann, zu den Beschäftigten gesprochen: „Heute ist ein herausfordernder Tag für alle Mitarbeiter am Standort Eltmann. Der Standort wird bis Ende 2023 vollständig in das Werk Schweinfurt integriert werden. Dies ist nicht nur eine Herausforderung, sondern zugleich eine Chance: Für das Produkt, den Standort Deutschland und auch die Mitarbeiter. Es ist beabsichtigt, Mitarbeitern eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in Schweinfurt anzubieten. Die nächsten Schritte werden nun mit den entsprechenden Gremien und Arbeitnehmervertretern besprochen“.
Auch die IG Metall wird nicht untätig sein und kündigt einen massiven Protest an. Bereits für Mittwoch, 14. September, ist ein bundesweiter Aktionstag an allen Schaeffler-Standorten geplant, verkündete Salvatore Vicari, der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates der Schaeffler Technologies AG & Co. KG, ebenfalls in einer Pressemitteilung.