Hallenbad Zeil: Die Wasserwacht sieht Kinderschwimmkurse in Gefahr

Schwimmunterricht über dem Standard: Ein Wasserwacht-Betreuer kümmert sich um höchstens zwei Kinder, so dass ein individuelles Lernen möglich ist. Foto: © Christian Licha

Zeil am Main, Lkr. Haßberge. Weit über 2000 Kinder haben in den vergangenen Jahrzehnten bei der Wasserwacht Sand/Zeil das Schwimmen im Zeiler Hallenbad gelernt. Am vergangenen Wochenende ging wieder einmal ein Schwimmkurs zu Ende, bei dem über 80 Prozent der teilnehmenden Kinder im Alter von fünf bis neun Jahren auf Anhieb das Schwimmabzeichen „Seepferdchen“ bestanden haben.

Johannes Rennert, der stellvertretende Kreisvorsitzende der Wasserwacht Haßberge, kann es gar nicht genug wiederholen: „Schwimmen ist (über-)lebenswichtig! Jedes Kind im Grundschulalter sollte es zur eigenen Sicherheit können“. Nur wie soll es in Zukunft weitergehen? Bekanntlich soll das Hallenbad zum Ende des Schuljahres 2018/19 geschlossen werden. „Wo sollen wir in Zukunft die Kinder ausbilden?“, fragt Rennert und fordert die Sanierung des in die Jahre gekommenen Bades oder gleich einen Neubau. Die Stadt Zeil alleine kann das finanziell nicht stemmen und so standen verschiedene Lösungsmöglichkeiten im Raum. Von einer Bäderallianz, bei der die umliegenden Kommunen sich finanziell an den Kosten beteiligen beziehungsweise eine Finanzierung durch den Freistaat Bayern war die Rede. Die Wasserwacht hatte Bürgermeister Thomas Stadelmann und alle Stadträte zum letzten Schwimmkurs-Tag eingeladen, um den aktuellen Stand der Dinge zu erfahren. „Das Stadtoberhaupt und ein Stadtrat haben sich wegen eines anderweitigen Termins entschuldigt, wofür ich Verständnis habe. Aber von allen anderen Stadtratsmitgliedern kam keinerlei Reaktion“, berichtet Rennert enttäuscht. Gerne wollte die Wasserwacht den gewählten Volksvertretern auch demonstrieren, wie ein Schwimmunterricht bei ihnen abläuft. Das außergewöhnliche daran ist nämlich, dass für fast jedes Kind ein erfahrenes Mitglied der Rettungsorganisation zur Verfügung steht, um sich intensiv mit den Mädchen und Jungen zu beschäftigen und speziell auf den persönlichen Leistungsstand eines jeden Einzelnen einzugehen.

Stolz präsentieren sich die jungen Schwimmer zusammen mit ihren Betreuern der Wasserwacht. Foto: © Christian Licha

„Jedes Jahr finden zwei Schwimmkurse statt, einer im Frühjahr und einer im Winter“, erklärt Manfred Bergmann, der Vorsitzende der Wasserwacht Sand/Zeil. Fünf Wochen wird hierbei jeden Samstag und Sonntag unterrichtet. Am aktuell zu Ende gegangen Kurs nahmen 22 Kinder teil, denen am letzten Unterrichtstag 18 Betreuer gegenüberstanden. „Das liegt deutlich über dem Standard für Kinderschwimmkurse“, betonte Bergmann und wies auch darauf hin, dass die Erwachsenen dafür ihre Freizeit opfern und ehrenamtlich tätig sind. Die engagierte Mannschaft widme sich mit Leib und Seele dieser Aufgabe. Man sehe als Außenstehender überhaupt nicht, was es heißt, den Kindern das Schwimmen beizubringen. Mit spielerischen Methoden und viel Zureden werde ein Vertrauen aufgebaut, das letztendlich zum Erfolg führe. Und die meisten Kinder, die mit Begeisterung das Schwimmen gelernt haben, bleiben der Wasserwacht treu, um ihr Können zu vertiefen. „In Jugendschwimmtrainingseinheiten wird verfestigt, was wir den Kindern beigebracht haben“, erklärt der Vorsitzende. Hier werden dann auch weitere Prüfungen, wie das Jugendschwimmabzeichen in Bronze, Silber und Gold gemacht.

Auch der sechsjährige Richard Giessbrecht hat unter Anleitung der ehrenamtlichen Betreuer das Schwimmen bei der Wasserwacht gelernt. Foto: © Christian Licha

Die Kinder sind auch potenzielle Einsatzkräfte für die Wasserrettung.  „Wie können wir den Wasserrettungsdienst in 15 bis 20 Jahren sicherstellen, wenn es keine Kinderschwimmkurse mehr gibt?“, fragt sich Johannes Rennert.  Es werde wahrscheinlich ein schleichender Prozess sein, bis die Wasserwacht überhaupt keine Einsatzkräfte mehr habe. Daher seien nun alle Lokalpolitiker aufgefordert, Nägel mit Köpfen zu machen und für den Fortbestand des Zeiler Hallenbades sorgen, fordert auch Julian Müller, der Vorsitzende des Schwimmclubs Haßberge, der auch in der Fachwerkstadt Kinderschwimmkurse anbietet. Nicht nur wegen der Wasserrettung oder der Bevölkerung, die keinen Möglichkeit mehr hat in einem Hallenbad schwimmen zu gehen, sondern auch für die kommenden Generationen Schulkinder.

Vanessa und Stefan Englert kamen extra aus Dürrfeld im Landkreis Schweinfurt zum Schwimmunterricht nach Zeil, weil ihnen von dessen gutem Ruf berichtet wurde. Lean (6) zeigt stolz seine Urkunde und das „Seepferdchen“ und hofft, dass sein zweijähriger Bruder Louis auch in ein paar Jahren das Schwimmen in Zeil lernen kann. Foto: © Christian Licha

Einer persönlichen Empfehlung folgend, hatte auch eine Familie aus Dürrfeld im Landkreis Schweinfurt ihr Kind bei dem Kurs angemeldet. Vanessa und Stefan Englert freuten sich, dass ihr sechsjähriger Sohn Lean auf Anhieb das „Seepferdchen“ geschafft hat. Und auch den zweijährigen Louis würden die Eltern gerne in ein paar Jahren in Zeil das Schwimmen beibringen lassen, wenn nicht das Damoklesschwert der Schließung über dem Hallenbad schweben würde.

Begeistert von den Wasserwacht-Schwimmkursen sind auch die Eltern. Nicole Wittig aus Sand erzählt stolz, dass ihr fünfjähriger Sohn Moritz schon nach vier Unterrichtsstunden das Schwimmen gekonnt hat. „Die Wasserwachtler sind halt Spezialisten auf ihrem Gebiet“, resümiert die Familienmutter den zu Ende gegangenen Kurs. Auch der 13-jähriger Sohn Hannes habe seinerzeit hier das Schwimmen gelernt. „Und ich auch“, ergänzte Vater Detlef Wittig stolz, auch wenn es schon rund vier Jahrzehnte her sei.

Manfred Bergmann (links) und Johannes Rennert (rechts) sind stolz auf den sechsjährigen Mohamad Althwini, der ein sehr guter Schwimmer mit viel Potenzial geworden ist. Foto: © Christian Licha

Ganz nebenbei leistet die Wasserwacht auch eine gute Integrationsarbeit. Die syrische Familie Althwini hatte gleich drei Kinder beim jetzigen Schwimmkurs dabei. Der sechsjährige Mohamad und seine Schwestern Sumiah (5) und Shima (9) haben sehr schnell gelernt und alle auch das begehrte Kinderschwimmabzeichen erhalten. Dazu kommt der Kontakt zu den anderen Kindern, aus denen die Geschwister die ein oder andere neue Freundschaft knüpften.

Als besondere Überraschung erhielten alle jungen Teilnehmer ein Geschenkpaket mit Bademütze, Handtuch und einen  Verzehrgutschein. Die Wasserwacht Bayern hat nämlich mit der Nordsee-Gruppe einen Kooperationsvertrag geschlossen, der die Förderung des Kinderschwimmens verfolgt. Die Wasserwacht Sand/Zeil hatte sich darauf beworben und prompt auch den Zuschlag erhalten.  So konnte den Kindern neben einer Urkunde auch die nützlichen Utensilien überreicht werden, über die sie sich sehr freuten.

Über 2000 Kinder haben im Zeiler Hallenbad bei der Wasserwacht das Schwimmen gelernt. Foto: © Christian Licha