Ebelsbach / Gleisenau, Lkr. Haßberge. Flugunfälle sind nicht gerade das Tagesgeschäft der Freiwilligen Feuerwehren im Landkreis Haßberge. Genau aus diesem Grund wurden dieser Tage 20 Verantwortliche der örtlichen Feuerwehrführungen speziell zu diesem Thema im Feuerwehrausbildungszentrum Gleisenau geschult.
Mit den Referenten Jens Eisenreich und Uwe Henker von der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) mit Sitz in Braunschweig konnte Kreisbrandinspektor Ralf-Peter Schenk als Aus- und Fortbildungsleiter zwei ausgesprochene Experten auf diesem Gebiet gewinnen. Grundlegende und luftfahrzeugspezifische Gefahren und Risiken am Ereignisort sowie rechtliche Grundlagen und Organisation der Flugunfalluntersuchung in Deutschland wurden in der rund dreistündigen Schulung ausführlich betrachtet.
Die BFU untersucht Flugunfälle und schwere Störungen eigenständig, insbesondere ohne Einflussnahme von Dritten. Sie wird in Kenntnis gesetzt, wenn in Deutschland Flugunfälle oder schwere Störungen in der zivilen Luftfahrt auftreten und wenn deutsche Luftfahrzeuge im Ausland betroffen sind. Hierzu stehen flächendeckend Gutachter zur Verfügung, die die ersten Maßnahmen ergreifen können, bis das Team der BFU am Unfallort eingetroffen ist. Unmittelbar nach Abschluss der gegebenenfalls durchgeführten Brandbekämpfungs- und Rettungsmaßnahmen muss die Unfallstelle gesperrt werden und die Spurensicherung beginnen. Die Auswertung des jeweils untersuchten Vorkommnisses sowie die daraus resultierenden Schlussfolgerungen und Sicherheitsempfehlungen sollen nicht der Klärung der Schuld- oder Haftungsfrage dienen. Die technische Untersuchung hat einzig das Ziel, Erkenntnisse zu gewinnen, mit denen künftige Unfälle und Störungen verhütet werden können.
In Deutschland gab es im Jahr 2021 insgesamt 142 Flugunfälle, davon 61 mit kleinen Flugzeugen unter zwei Tonnen Gewicht. Wichtige „Zeugen“ sind für das Untersuchungsteam der BFU der Flugdatenschreiber und der Voicerecorder, der Gespräche im Cockpit aufnimmt. Allerdings sind diese Gerätschaften erst bei größeren Flugzeugen ab 20 Tonnen oder 20 Sitzplätzen Standard. Aber auch bei kleineren Maschinen können Flugspur, Motordaten, GPS und ähnliches ausgelesen werden. Bei Flugunfällen gibt es zahlreiche Szenarien, die aufgrund der Spurenlage vor Ort auszuwerten sind.
Der letzte Flugunfall im Landkreis Haßberge ereignete sich Ende April vergangenen Jahres. Dabei war ein 62-Jähriger mit einem Motorschirm-Trike abgestürzt und gestorben. Auf dem Flugplatz Ebern-Sendelbach hatte der Mann offensichtlich geübt. Dabei beschleunigte er, hob ab und stürzte auf eine benachbarte Wiese. Auch hier war neben den örtlichen Feuerwehren, dem THW und der Kriminalpolizei ein Gutachter der BFU in den Einsatz mit eingebunden.
Bei einem gleichzeitigen Feuer an der Absturzstelle besteht eine Gefahr durch brennende Kunststoffteile. Hier können unter Umständen lungengängige Faserbestandteile freigesetzt werden, die sehr gesundheitsschädlich sind. Auch scharfkantige Metallteile, mechanische Federn, Hydraulikbestandteile und eventuell mitgeführte Sauerstoffflaschen oder ähnliches bergen am Einsatzort eine große Gefahr für die Hilfsmannschaften der Feuerwehren.
Ein sogenanntes Gesamtrettungssystem, dass im Notfall das ganze Luftfahrzeug mit Insassen an einem Rettungsfallschrim zu Boden schweben lassen kann, ist in leichten und langsamen Flugzeugen verfügbar. Dazu gehören Ultraleichtflugzeuge, bei denen es sogar vorgeschrieben ist, aber auch Segelflugzeuge und einmotorige Reiseflugzeugtypen wie zum Beispiel der Fabrikate Cirrus oder Cesna.
Gesamtrettungssysteme bestehen aus einer Rakete, die – falls nötig – innerhalb von 0,6 Sekunden die Luftfahrzeugwand an einer Sollbruchstelle durchschlagen kann und einen sehr großen Rundkappenfallschirm aus dem Luftfahrzeug zieht, der für das Gesamtgewicht des Luftfahrzeugs mit seinen Passagieren ausgelegt ist. Die Herausforderung bei der Konstruktion eines Gesamtrettungssystems besteht darin, nach dem Auslösen das Fluggerät aus einer eventuell hohen Geschwindigkeit abzubremsen, ohne die Flugzeugzelle zu überlasten, sowie die Sinkgeschwindigkeit am Schirm so gering zu halten, dass der Aufprall keine schweren Verletzungen der Insassen nach sich zieht.
Ist das Gesamtrettungssystem nach dem Bodenkontakt nicht ausgelöst, so schweben die Einsatzkräfte möglicherweise in Lebensgefahr. Eine nachträgliche Auslösung ist denkbar und genau deshalb soll der Abschussbereich im großen Umkreis abgesperrt werden. Die Experten der BFU raten, in diesem Fall den Sprengmittelräumdienst hinzu zu ziehen, um eine kontrollierte Auslösung zu ermöglichen.